Wir dokumentieren hier eine Pressemitteilung von Aktivist*innen gegen Polizeigesetze und Polizeigewalt aus Schleswig-Holstein:
Seit der Einführung von Tasern in verschiedenenen Bundesländern seit 2017 gab es mindestens 7 Tote nach Einsätzen dieser Waffen, obwohl sie noch nicht flächendeckend im Einsatz sind. In der Nacht auf Mittwoch, den 19.10.22 wurde in Dortmund erneut ein Mensch auf diese Weise getötet. Währendessen sind die Richtlinien für den Einsatz der Taser in den Pilotprojekten in Schleswig-Holstein öffentlich geworden und lassen befürchten, dass auch hier Tote nicht lange auf sich warten lassen.
Mittlerweile werden in Schleswig-Holstein beim 1. Polizeirevier Neumünster, im Polizeirevier Ahrensburg sowie beim Spezialeinsatzkommando Taser (Distanzelektroimpulsgeräte) täglich mitgeführt – anders als von der grünen Partei vorab versprochen nicht nur für Spezialeinsatzkräfte. Auf Anfrage gab die Landespolizei die Handlungsanweisungen zum Einsatz heraus. Erwartet wird von der Waffe, „eine deeskalierende Wirkung im Einsatzgeschehen und damit einhergehend eine Verbesserung der Eigensicherung herbeizuführen“. Im Vordergrund der Erprobungsphase seht „die Minimierung von Verletzungsgefahren beim Zwangsmitteleinsatz gegenüber polizeipflichtigen Personen sowie die Minimierung von Verletzungsgefahren bei Übergriffen auf Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte“.
Es ist durchaus kreativ zu behaupten, dass durch die Einführung neuer Waffen Verletzungsgefahren minimiert werden. In der Praxis ist es eher so, dass neue Waffen zu neuen Verletzungen führen und die Eskalationsgefahr steigern. Dass die Polizei dabei oft genug politischer Akteur ist, der eben keinesfalls alle gleich behandelt, sondern aus rassistischen und klassistischen Motiven Menschen angreift, gerät in den Hintergrund.
In der Propaganda bei der Einführung der Taser, vor allem seitens der grünen Partei, klang oft an, dass die Taser zu weniger Toten führen sollen, weil sie als Alternative zur Schusswaffe benutzt werden könnten. In den Handlungsanweisungen zum Einsatz der Distanzelektroimpulsgeräte steht nun jedoch das glatte Gegenteil: „Bei dynamischen, lebensbedrohlichen Einsatzlagen stellt das DEIG grundsätzlich keinen Ersatz für die Schusswaffe dar!“ heißt es in den taktischen Grundlagen. Auch mehrfach nacheinander den Taser gegen Personen einzusetzen scheint kein Problem zu sein, so heißt es in den Handlungsanweisungen auch: „Jede weitere Stromabgabe ist nur zulässig, sofern die rechtlichen Voraussetzungen dafür vorliegen (z. B. wenn die Gefahr/Störung durch die polizeipflichtige Person andauert).“ Der Hinweis, dass die Stromeinstellung nicht verändert werden darf, heißt vor allem auch, dass es möglich ist eben diese zu verändern. In anderen Stromeinstellungen können Taser benutzt werden, um Menschen zu foltern, um ihnen Schmerzen zuzufügen, die keine später sichtbaren Spuren hinterlassen. Dass dies auch in Deutschland schon vorgekommen ist, beweist ein Beispiel aus Hessen, wo die Polizei Taser im Nahmodus (also eben nicht als Distanzwaffe wie vorgesehen) gegen Waldbesetzer*innen einsetzte. [2]
Auch Menschen in großer Höhe oder in der Nähe von Wasser werden explizit nicht ausgeschlossen vom Taser-Einsatz, obwohl die Lebensgefahr für die Betroffenen erkannt wird. Es ist zynisch wenn dann nur angemerkt wird, dass es eine „besondere Lagebeurteilung“ benötigt. Wer so mit tödlichen Waffen umgeht, darf sich nicht wundern, wenn dann auch Menschen sterben.
Damit werden unsere Befürchtungen, die wir schon gegen das neue Polizeigesetz äußerten, wahr: Taser werden nicht als Alternative zu Schusswaffen, sondern eben als Ergänzung eingesetzt und sind damit irgendwo beim Schlagstock und Pfefferspray angesiedelt – nur eben noch tödlicher als diese Waffen. Taser müssen sofort abgeschafft werden, die Pilotprojekte in Schleswig-Holstein beendet werden. Es ist vollkommen klar, dass diese Waffen eben nicht deeskalieren, sondern verletzen und töten. Gerade in den Händen einer strukturell rassistischen und klassistischen Polizei heißt das nicht nur entsprechende Diskriminierungen, sondern auch entsprechende Morde.
[1] Die Richtlinien zum Einsatz der Distanzelektroimpulsgeräte aus Schleswig-Holstein
Noch ein Hinweis auf eine interessante Veranstaltung in dem Zusammenhang:
FÖPS-Werkstattgespräch – Protest Policing in Deutschland am 1.11. um 17 Uhr